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Beziehung Familiengeschichten

Mama unter Druck – Alle wollen etwas von mir (Brief einer Mama)

Alle wollen etwas von Judith, sogar sie selbst. Mama Judith steht zwischen den Stühlen: Kind, Partner, Job, Freunde, Selbstfürsorge… Am Abend schreibt die entmutigte Judith ihrer Freundin Alexandra, die auch Mama ist, einen Brief.

Liebe Alexandra,

ich könnte schreien!

Mein Sohn ist heute in sein Zimmer gerannt und war total wütend auf mich. Ich habe ihm versprochen, dass wir heute Nachmittag in die Kletterhalle fahren, aber ich habe mich nicht daran gehalten. Mein Chef hat mir eine Email gesendet mit dem Betreff „Dringend, am besten gestern erledigen.“ Dabei wollte ich nur am Vormittag im Home Office arbeiten und am Nachmittag mit Tim in die Kletterhalle fahren.
Alle wollen etwas von mir, auch ich. Überall lese ich, wie wichtig Selbstfürsorge ist: Mache Dich locker und entspanne, bewege Dich, so viel Du kannst; nehme Dir jeden Tag Zeit für Dich, schlafe genug und gestalte ein aufregendes Leben. Verbringe quality time mit Deiner Familie, bringe Abwechslung in Deine Partnerschaft, genieße Deinen Job, habe Spaß mit Freunden, leiste eine sozialen Beitrag…

Was ich auch mache, immer ist einer unzufrieden, andere oder ich selbst!

Denn, wenn ich eine Sache mache, ist irgend jemand unzufrieden, dass ich in dieser Zeit etwas anderes nicht mache.
Dabei weiß ich doch, wie wichtig es für alle ist, zufrieden zu sein. Aber es gelingt mir nicht. Alles ist jenseits von perfekt. Wenn Du Ideen hast, was ich ändern kann, schreibe mir. Danke Dir.
Bis bald,
Deine Judith
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Alexandra schreibt Judith einen Brief zurück.

Liebe Judith,

fühle Dich mal umarmt!

Das ist eine Menge Druck, den andere Dir machen. Wie viele andere Mamas, mich eingeschlossen, machst Du Dir auch selber Druck.
Das ganze Leben wird zu Aufgaben auf der to do Liste und steht wie ein unüberwindbarer Berg vor Dir, meinst Du das? Was Du auch tust, irgend etwas schaffst Du nicht und bist unzufrieden. Wenn Du selbst nicht unzufrieden bist, sind es andere. Das kenne ich sehr gut. Unsere eigenen Erwartungen und auch die anderer Menschen sind manchmal einfach sehr hoch. Enttäuschungen sind also zu erwarten. Wenn ich 3 Tage Nudeln in Folge anbiete, erfülle ich nicht die Erwartung an eine abwechslungsreiche Küche (allerdings ist gesund kochen Ansichtssache und sehr individuell). Wenn mir nicht nach Paarzeit ist, obwohl ich weiß, wie wichtig es ist, Partnerschaft zu leben, erfülle ich die „Aufgabe“ Partnerschaft zu pflegen“ nicht.

Gegen diese Unzufriedenheit anzukämpfen hilft nicht, denn sie ist schon da, bei anderen oder bei uns Mamas.

Spontane Gedanken dazu sind: Die Email sollte nicht heute kommen, da Judith Tim den Ausflug in der Kletterhalle versprochen hat. Tim sollte nicht so unzufrieden sein, denn Judith holt den Ausflug nach. Deine Situation könnte Dich auch zu den Gedanken einladen: Das ist die Gelegenheit, meinem Chef klar zu sagen, dass ich mich Morgen um die Arbeit kümmere. Tim kann erfahren, dass Unzufriedenheit ein Teil des Lebens ist und wir den Auflug ein anderes Mal machen. Ich kann lernen, Prioritäten zu setzen (es gibt hier keine „richtige“ Antwort). Unzufrieden sein bedeutet, herauszufinden, was Dich und Deine Lieben zufrieden macht. Tims Unzufriedenheit kannst Du nachempfinden, weil Du selbst die Erfahrung gemacht hast, wie es ist, unzufrieden zu sein. Es kann euch also näher zusammen bringen. Die Unzufriedenheit kann ein Stachel sein, etwas zu ändern – einen Glaubenssatz (in der Arbeit muss ich geben, was ich kann; ich muss mein Kind glücklich machen usw.)
Um nicht in der Unzufriedenheit fest zu stecken, kannst Du Dich fragen: In welchem Moment war ich heute zufrieden?
Wenn Du die Unzufriendheit erlebst und danach Dein Gefühl durch einen anderen Gedanken änderst, gewinnst Du hoffentlich auch eine neue Perspektive zu handeln.
Ciao,
Deine Alexandra