Frustration in der Familie als Blogreihe: Die eigenen Auslöser der Frustration in den letzten beiden Blogbeiträgen erkannt und gemanagt, wie kann ich die Frustration noch sehen? Als etwas Überwindbares oder einen Kompass, der mir zeigt, was mir und den anderen Menschen etwas im Leben bedeutet?
Tochter Mira ist sehr enttäuscht, dass die Eisdiele wegen Urlaub geschlossen hat, auch wenn das in den Augen der Eltern Alexandra und Michael „doch nicht so schlimm ist.“ „Ist es doch“ sagt Mira. Im Kindergarten hat sie heute das Spiel UNO verloren, das Essen war eklig und die Kindergartenfreundin, mit der sie am Nachmittag spielen wollte, ist krank.
„Für Dich ist es schlimm“ sagen Alexandra und Michael. Mira, die vorher mit gesenktem Kopf da saß, schaut nach oben. „Du liebst Eis, sagt Michael und jetzt hat die Eisdiele zu. Wir machen am Wochenende einen Ausflug und gehen Eis essen.“
Sind Deine Lieben (oder Du selbst) frustriert, geht es doch eigentlich um diese Dinge
- Eine Situation tritt ein und macht jemanden traurig oder wütend.
- Andere „sehen“ diese Traurigkeit oder Wut (oder Du selbst siehst sie)
- Was sagt die Situation über die Person? (was sie mag, was sie braucht, was ihr wichtig ist…)
- Was hilft dem Menschen, damit klar zu kommen, ohne, dass er die Situtation mögen muss?
Was keiner braucht, wenn er frustriert ist:
- Menschen, die einem sagen, dass es nicht so schlimm ist oder dass man nicht frustriert sein muss, denn man ist es doch bereits.
- Selber dagegen ankämpfen und es nicht wahr haben wollen, denn es ist bereits so und ändert die Situation nicht.
Wie kann sich Mira aus der Situation vorwärts bewegen?
So einfach es scheint, aus eigener Frustrationserfahrung ist es nicht immer so einfach. Aber, um bei diesem Eisbeispiel zu bleiben, wie könnnen Alexandra und Michael Mira vorleben, dass das Leben voller Möglichkeiten ist, selbst bei einem solchen einfachen, aus Sicht der Eltern trivialen Beispiel?
- zur anderen Eisdiele gehen oder fahren
- im Supermarkt Eis einkaufen
- Wenn keine Zeit ist, an einem anderen Tag Eis essen planen
- Eis selber machen
- Alternative zum Eis finden, die vielleicht trotzdem riesen Protest auslösen wird, denn Miras Hirn will Eis!!!
Dann fängt das ganze Spiel von vorne an: „Du willst Eis und kannst Dir gerade nichts anderes vorstellen“ sagt Alexandra zu Mira. Aus Sicht der Eltern erscheint das vielleicht lächerlich, eine lange story über das Eis zu schaffen, aber nicht für Mira! So klein, unwichtig oder sogar dumm erscheint Eltern manches, was aber für Kinder in diesem Moment wahrscheinlich sehr wichtig ist. Alexandra und Michael gehen 6 Schritte:
Schritt #1
Spiele also Beobachter und Zuhörer:
Sei Dir bewusst, was andere oder Dich gerade so frustriert. Welches Bedürfnis oder welcher Wunsch wird nicht erfüllt?
Schritt #2
Warte mit Handeln und Sprechen ab:
Du willst etwas sagen oder tun? „Das ist doch nicht so schlimm. Mira kann sich doch nicht stressen wegen so einer Kleinigkeit, wie soll sie denn im Leben klar kommen?“ denkt Michael. Höre, was Du sagen willst und sage zunächst nichts. Spüre, dass Du handeln willst und handle zunächst nicht. Alexandra würde Mira am liebsten in den Fahrradanhänger sitzen, um die Situation zu beenden. Sie wollte einen ruhigen Nachmittag und jetzt dieses Drama wegen so etwas! Höre Deinen Impulsen einfach zu.
Schritt #3
Siehe den Impuls nachlassen.
Der Drang, zu reagieren, sich mitzuteilen, anderen aus Emotionalität Vorwürfe zu machen, wird aufhören. Der Impuls ist vergänglich, villeicht ist er 1-2 Minuten sehr stark, wird weniger und zieht vorüber.
Schritt #4
Ermuntere Dich selbst, zunächst nichts zu tun (Notfälle ausgenommen: Unfälle, Überschwemmungen…):
Du kannst Dich als Eltern doch nicht in der Beobachterrolle ausruhen, Du musst aktiv Dein Kind erziehen oder begleiten! Wenn der Gedanke kommt: „Darauf musst Du reagieren.“ kann auch der Gedanke kommen: „Das hast Du bei den letzten Malen auch gesagt, wir haben alle nur gestritten und jeder war gekränkt.“
Schritt #5
Konfrontiere Deine Erwartungen mit der Realität:
Deine Tochter sollte…, Dein Mann sollte… Du solltest…Die Realität ist aber gerade nicht so. Obwohl ich das weiß, halte ich manchmal daran fest…mit dem Ergebnis, dass ich frustriert bin. Realität ist die perfekte, einzigartige Unvollkommenheit an mir und an anderen.
Schritt #6
Handle empathisch und klar:
Dieser Haltung gehen diese Schritte voraus: Frustration annehmen, Handlungs- und Sprechimpulse beobachten und neu reagieren können. Überrasche Dich, welche Situationen Du damit in Dein Leben einlädst.
Soll ich alle 6 Schritte auf einmal gehen? Nein, weil es manchmal nicht funktioniert, alles auf einmal zu ändern.Was mir hilft, ist die Ausrichtung auf eine Sache, sagen wir für einen Monat oder auch länger. Ich konzentriere mich einfach darauf, abzuwarten und zu beobachten, was bei mir und beim anderen gerade passiert. Interessanterweise findet sich daraus ein eigener neuer Weg, der natürlich von diesen 6 Schritten abweichen kann. Was die Wege alle verbindet, ist die andere innere Haltung, aus der ich handeln kann. Was hilft, in die Beobachterrolle zu schlüpfen? Langsamer atmen oder den Atem zu zählen…Mir hilft einfach auszuatmen.
Was so einfach? Ja, so einfach! Lösungen sind oft so einfach, wenn auch nicht immer leicht umzusetzen oder doch?
„Gila, warum bist Du so entspannt?“ werde ich manchmal gefragt. Ich weiß in dem Moment, dass ich es nicht bin, warte ab und deswegen kann ich manchmal entspannter als vorher reagieren 😉
Wie lernst Du Frustration in der Familie lieben? Ideen sind willkommen.
Bis bald,
Gila