Ich beobachte große Babyaugen, wie sie die Liebe zum Lernen oder zum Spielen entdecken. Warum haben dann Kinder Lernprobleme? Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, Lernstörungen, Legasthenie – werden wir mehr mit Diagnosen konfrontiert als mit Ideen, was Kinder zum Lernen brauchen?
Wenn Du die Bedingungen zum Lernen änderst, ändert sich auch das Lernen Deines Kindes
Wenn ich den Hirnbiologen Prof.Dr. Gerald Hüther verstanden habe, brauchen wir unsere Kinder nicht zu ändern. Was wir ändern sollen, sind die Bedingungen, unter denen Kinder lernen.
Ein Kind in Graz braucht ein anderes Gehirn als ein Kind im Amazonischen Regenwald. Das Kind in Graz setzt sich mit seinem Stadtviertel in Graz auseinander. Dagegen das Kind im Regenwald lernt 120 verschiedene Arten von Grün auseinanderzuhalten, weil es das eben dort braucht.
Wie können Kinder mit unterschiedlichen Bedingungen überall auf der Welt ihr Gehirn so organisieren, dass sie sich in ihrer Umgebung zurechtfinden?
Laut Hüther kommen wir mit viel genetischer Ausstattung auf die Welt. Aber wir entwickeln nur das, was wir brauchen und womit wir uns beschäftigen. Zunächst werden viele Hirnvernetzungen bereit gestellt. Später, wenn diese Vernetzungen nicht mehr gebraucht werden, schrumpfen sie wieder.
Eltern und Bezugspersonen sind Schatzsucher
Kinder haben neben den körperlichen Bedürfnissen seelische Bedürfnisse. Hüther nennt zwei wesentliche Bedürfnisse für Kinder.
1. Nähe/ Verbundenheit/ Zugehörigkeit „Bindungssystem“
Die Grunderfahrung des Lebens ist Verbindung und diese Sehnsucht nach Verbindung ist im Gehirn angelegt.
2. Autonomie/ Selbstbestimmung/ Freiheit „Neugiersystem“
Jeden Tag kann ein Kind über sich hinaus wachsen, nicht nur körperlich. Es entdeckt ständig etwas Neues und braucht neue Freiheiten.
Wie schaffen wir die Bedingungen, unter denen beides möglich ist: Verbunden UND autonom sein?
Kinder wollen dazu gehören. Wenn das nicht möglich ist, denken sie
- andere sind doof
- ich bin doof
- wenn es nicht geht, will ich gar nicht mehr dazu gehören
Bei Ausschluss aus einer Gemeinschaft werden die gleichen Bereiche im Gehirn aktiviert wie bei körperlichen Schmerzen!
Wenn Kinder nicht bekommen, was sie brauchen, holen sie sich selbst oder die Eltern käufliche Ersatzbefriedigungen. Hüther sagt absichtlich überspitzt: „Unsere Schulen müssen so schlecht sein, damit unsere Wirtschaft gut läuft.“
Kinderfreundliche Bedingungen zum Lernen
Was mich als Mama interessiert, ist das Potential meines Kindes. Wir Eltern meinen es so gut 😉 Manchmal wollen wir unseren Kindern etwas zeigen und stören sie dabei beim eigenen Lernen. Bsp.: Ein Kind hat einen Turm gebaut. Toll sagt der Papa, aber schau mal, was Du noch alles machen kannst… Laut Hüther fördert das nicht gerade die Motivation zum Lernen.
Was steckt in Deinem Kind? Statt etwas aus ihm machen zu wollen und ihm etwas beibringen wollen… So nett das auch gemeint ist 😉
7 Ideen für die Lust am Lernen
- Was interessiert Dein Kind? Wie kannst Du Deinem Kind Anregungen in Bezug zu SEINEM Interesse geben? (Material, Fragen stellen, entsprechende Ausflüge machen…)
- Wo handelt Dein Kind aus sich selbst heraus? Im freien Spiel in einer nicht vorstrukturierten Welt, z.B. in freier Natur (Wald, Wiese, Teich…)
- Dem Kind Erfahrungen mit vielen verschiedenen Menschen ermöglichen. Kinder lernen viel durch den Kontakt mit unterschiedlichen Menschen, und von jedem lernen sie etwas anderes. Kinder brauchen keine altershomogene Gruppen, sie brauchen einfach verschiedene Menschen.
- Eltern stellen sich als Gemeinschaft für Kinder zur Verfügung stellen, Eltern nehmen gegenseitig Kinder zum Ausflug mit.
- Wir brauchen Bedingungen für das Kind, die bedeutsam sind, damit sich das Gehirn etwas merkt. Wir ahnen alle, dass wir in der Schule viel vergessen haben…
- Kindern Gelegenheit geben, eine Leistung, die für SIE bedeutsam ist, zu erreichen. Belohnung wird dann überflüssig und die Motivation kommt vom Kind selbst.
- Wir brauchen Bedingungen, unter denen die Augen der Kinder leuchten.
Kann jetzt jeder machen, wozu er Lust hat? Funktioniert so Gesellschaft?
Hüther sagt, Menschen sind ein sich selbst organisierendes System. Wenn sie sich nicht autonom organisieren, werden es andere tun.
Andere Menschen, andere Länder, andere Planeten oder smarte Maschinen?
Hand aufs Herz:
Nicht nur Kinder brauchen eine Balance zwischen Zugehörigkeit und Autonomie, oder? Aber bei unseren Kindern fängt es wieder ganz NEU an!