Die Glucke hat wieder zu einer Blockparade aufgerufen, und die spannende Frage lautet dieses Mal: Bin ich perfekt? –
Eine Frage, die sich viele Eltern stellen, die in Sorge um ihre Kinder verständlicherweise alles richtig machen wollen. Das aber ist zweifelslos ein Balanceakt…
Ich muss zugeben, dass meine philosophische Ader sofort in die Analyseschleife gehen wollte: Was heißt eigentlich perfekt? Gibt es das überhaupt? Ist es für alle dasselbe? Woher kommt das Wort? Wie ist Perfektionismus definiert?
Ich habe also diesen Wikipedia-Artikel zum Perfektionismus gelesen, ein wenig sinniert – und dann festgestellt, dass es uferlos würde, wenn man sich in einem einzigen Blogpost tiefer mit dem Thema befassen wollte.
Und letztendlich fand ich es auch viel bedeutsamer, was insbesondere wir Eltern mit dieser Frage zu tun haben – und warum wir damit zu tun haben – und welche Auswirkungen unser Verhältnis zum Perfektionismus auf unsere Kinder haben mag.
Was haben wir Eltern damit zu tun?
Was bedeutet die Frage Bin ich perfekt insbesondere für uns Eltern? Inwiefern stellen sich Eltern eigentlich diese Frage? Betrifft sie nur die „Erziehung“ der Kinder? Entspringt sie also einfach der natürlichen (Für-)Sorge um die Kinder? – Ich glaube nicht!
So oft sich Eltern auch sagen mögen, dass sie nur „das Beste für ihr Kind“ wollen, ich denke, es spielt doch auch viel anderes mit. Die gleichen Gründe nämlich, aus denen sich auch andere Menschen diese Fragen stellen: Unsicherheit und mangelnder Selbstwert, das Bedürfnis nach Orientierung und Integration.
Unsicherheit und mangelnder Selbstwert führt, denke ich, zu Selbstzweifeln, die das gesunde Maß an Selbstreflexion übersteigen. Die wertende und ganz leicht selbst entwertende Frage Bin ich perfekt macht nur auf Basis solcher Selbstzweifel irgendeinen Sinn.
Das Bedürfnis nach Orientierung schreit geradezu nach einem eindeutigen Bezugsrahmen, an dem man sein Handeln ausrichten kann. –
Einerseits ist Perfektionismus ohne eindeutige Bewertungskriterien unmöglich. (Woran sollte man sonst bemessen, ob man perfekt ist?).
Andererseits verstärkt Perfektionismus die Gültigkeit dieser Kriterien in der eigenen Wahrnehmung: das, woran ich mich messe, muss etwas Wahres, „Immergültiges“ sein, sonst macht mein Unterfangen keinen Sinn.
Das Bedürfnis nach Integration ist aber der bedeutendste Grund, glaube ich. Menschen wollen dazugehören und nicht alleine durch die Welt gehen. Die „Gesellschaft“ bringt aber Werte und Erwartungen an das Handeln mit sich. Und es ist vor allem der ständige Abgleich mit diesen äußeren Erwartungen, durch den viele Menschen bemessen, ob sie perfekt oder perfekt genug sind, um dazuzugehören. Die „Vergleicheritis“ mit anderen Eltern beginnt!
Warum haben gerade wir Eltern so damit zu tun?
Warum stellen sich vor allem Eltern so oft die Frage, ob sie auch „alles richtig“ machen?
Natürlich spielt hier die Sorge um die Kinder eine wichtige Rolle. Wir wollen, dass unsere Kinder glücklich werden. Wir wollen, dass sie sich später im Leben zurechtfinden. Wir wollen, dass sie sich in einer Weise entwickeln können, die sie für das heutige Leben „bereit“ sein lässt.
Dazu kommt, glaube ich, der eigene empfundene Lebens-druck, der das „Perfektsein“ in Bezug auf unsere Kinder so dringlich erscheinen lässt. In dem Maß nämlich, in dem man sich als Eltern-Mensch selbst unsicher, desorientiert oder schlecht integriert fühlt, in dem Maß möchte man erst recht alles richtig machen, damit es den Kindern besser ergehen möge.
Und dann gibt es noch ein Phänomen, das wohl alle Eltern kennen, und das ich oben „Vergleicheritis“ genannt habe. Weil viele Eltern ständig von Selbstzweifeln geprägt sind, suchen sie nach ständiger Selbstbestätigung. Und das funktioniert leider psychologisch recht gut, in dem man das Vorgehen anderer Eltern als problematisch einstuft. Je problematischer, desto besser für die eigene Selbstbestätigung. So wie wir es machen, muss es gut sein! Denn schau mal wie die damit umgehen…
Wie wirkt Streben nach Perfektionismus auf unsere Kinder?
Dazu fallen mir zwei Seiten ein.
Einerseits denke ich an uns Eltern als Bezugspersonen, deren Handeln und Verhalten unsere Kleinkinder automatisch zu kopieren versuchen. Hier zählt also, wie wir mit uns und anderen Menschen umgehen. Wie wir das Handeln anderer bewerten. Wie wir zu eigenen Fehlern stehen, sie eingestehen können oder nicht. Wie wir mit unserer Unperfektheit umgehen. Ob wir uns entschuldigen können.
All das werden zumindest unsere Kleinsten erst einmal von uns übernehmen. (Spätere Korrekturen sind da sicher nicht ausgeschlossen, aber oft auch nicht einfach, weil diese frühen Verhaltensmuster einem so selten bewusst werden.)
Und dann sind da natürlich die Erwartungen von uns an die Kinder. Was müssen sie können? Was müssen sie bis zu welchem Alter spätestens können? Ich denke ans Allein-Einschlafen, ans Klogehen, später auch an das Erlernen von Musikinstrumenten, Leistungen im Sport.
Wie oft hört man von vollgestopften Wochenplänen, deren Ziel es zu sein scheint, die Kinder maximal zu fördern.
All das hat sicher Auswirkungen auf unsere Kinder, aber wie gehen wir nun damit um? Insbesondere wenn wir unsere eigenen Unsicherheiten und Bedürfnisse als nicht ganz unwesentlich für unser Verhalten erkennen?
Ich würde sagen, es wäre schon viel gewonnen, wenn wir bei uns selbst anfangen – und versuchen authentisch zu sein. Denn auf Dauer nehmen uns Kinder unsere vermeintliche Perfektion ohnehin nicht ab. Und sind dann sogar womöglich sehr enttäuscht…
Disclaimer und Bitte um eure Gedanken
Ich habe heute versucht, meine privaten, persönlichen Gedanken zu einem recht komplexen Thema zu beschrieben. Ich kenne dazu keinerlei Forschungsliteratur. Es entstammt meiner Erfahrung, meinen Beobachtungen und meiner Selbstreflexion.
Also bitte macht euch eure eigenen Gedanken dazu und – was ganz wunderbar wäre – lasst sie uns doch bitte wissen!
Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal
Euer Andi